Yoga bezeichnet die Atmung als Energiehaushalt des Körpers. Über die Atmung nehmen wir Sauerstoff auf und geben Kohlendioxid ab. Ich schätze, darüber sind wir uns alle einig. Das weiß jeder. Wie spannend!
Wenn ich von meiner Faszination fürs Atmen berichte, ernte ich oft ein Schmunzeln – wenn es gut läuft. Manchmal auch Spott: „Ich atme schon seit X Jahren, na und?“
Wusstest du, dass der Atem tatsächlich den intensivsten Austausch mit unserer Umwelt darstellt? Wenn du abnehmen willst, verlierst du etwa 80 % der Körpermasse durch das CO₂, das du ausatmest. Du nimmst nicht dadurch ab, was du zur Toilette bringst. 🙂
Lebensmittel, die wir essen, werden aufwendig bearbeitet und gefiltert, bevor sie ins Blut gelangen. Der Atem dagegen geht direkt hinein und wieder hinaus.
Die Art, wie wir atmen, wirkt sich unmittelbar auf unseren Herzrhythmus aus. Der Atem ist der einzige Reflex, den wir aktiv beeinflussen können – auf den Herzschlag haben wir dagegen keinen direkten Einfluss.
Diese Tatsache erlaubt es uns, bewusst auf unseren Körper Einfluss zu nehmen.
Wir können beispielsweise den pH-Wert unseres Blutes beeinflussen. Der Körper ist ständig bemüht, den pH-Wert im Gleichgewicht zu halten. Das ist wichtig, denn über den pH-Wert werden viele Prozesse gesteuert. Unser Körper regelt diesen Wert auch durch das Zuführen von Mineralien wie Calcium oder Magnesium, die in Knochen gespeichert sind. Ein kostspieliges Unterfangen, denn diese Depots müssen wieder aufgefüllt werden. Sind sie einmal leer, entstehen Probleme.
Durch bestimmte Atemrhythmen können wir Einfluss auf den Sauerstoffgehalt und die Kapazität zur Aufnahme von Kohlendioxid nehmen. Diese Werte wirken sich wiederum auf den pH-Wert aus und erlauben uns, die wertvollen Mineralien-Depots zu schonen.
Solche Atemrhythmen simulieren beispielsweise ein Höhentraining. Kennst du das? Du bist eine Weile in den Bergen – so ab 2.000 Meter – und kehrst zurück ins Flachland. Für ein paar Tage fühlst du dich stärker, energiegeladener.
Diese Energie kommt von den zusätzlichen roten Blutkörperchen, die dein Körper produziert, wenn weniger Sauerstoff eingeatmet wird. Diesen Effekt können wir mit Retentionsübungen – Übungen, bei denen wir den Atem anhalten – bewusst herbeiführen. Der Trick dabei ist die Freiwilligkeit (Hallo, GFK!). Wenn dich jemand unter Wasser drückt, funktioniert das nicht.
Ergebnis: Mehr rote Blutkörperchen bedeuten eine höhere Sauerstoff- und CO₂-Kapazität. Daraus folgt ein niedrigerer Puls – gut fürs Herz – sowie ein niedrigerer Blutdruck, was wiederum gut fürs Herz, die Blutgefäße und das Gehirn ist.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, ob wir durch den Mund oder durch die Nase atmen. Das macht einen enormen Unterschied. Die Atemwege im Schädel sind gewunden wie eine Schnecke und nehmen viel Platz ein. Sie klimatisieren die Atemluft, passen Temperatur und Luftfeuchtigkeit an und filtern Verschmutzungen heraus. Unsere Riechzellen gehören zu den ältesten lebenden Systemen überhaupt. Sie waren die ersten Zellen, die entstanden sind – Sensoren zur Suche nach Kontakt. 🙂 Sie zeigen uns, was wir mögen: Essen, Partnerwahl – und was uns gefährlich werden könnte. Vieles, was unangenehm riecht, tut uns tatsächlich nicht gut.
In den Atemwegen hinter der Nase wird der Luft beim Einatmen Stickstoff beigemischt. So kann die Lunge Sauerstoff und Kohlendioxid leichter verstoffwechseln.
Im Mund hingegen haben wir den Geschmackssinn, verwandt mit dem Riechen – sonst nichts von dem oben Genannten. Keine Klimatisierung, keine Filterfunktion.
Daher: Der Mund ist zum Essen und Trinken da, notfalls auch zum Sprechen. Ansonsten lieber einfach schließen.
Viele Menschen atmen überwiegend durch den Mund, oft seit vielen Jahren. Die Atemwege trocknen dabei aus, Luft gelangt ungefiltert und unklimatisiert in die unteren Atemwege. Reizungen, Erkältungen und einige Zivilisationskrankheiten stehen damit in Verbindung.
Seit ich darauf achte, bin ich kaum noch krank. Mein Durchschnittspuls ist niedriger, auch beim Sport. Ich bin viel ausgeglichener und friedlicher geworden. Natürlich mag das noch andere Gründe haben, gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die Nasenatmung in Kombination mit verschiedenen Atemtechniken wesentlich dazu beigetragen hat.
Die meisten Details hier habe ich aus dem Buch Breath von James Nestor. Und ich erlebe das jeden Tag neu an meinem eigenen Leib.